Internetzensur

Das Vorhaben der Bundesregierung zum Schutz von Kindern vor pornographischem Missbrauch scheint in herkömmlichen Medien noch wenig Beachtung zu finden. Um den Gewinn der kommerziellen Täter zu schmälern und damit den Missbrauch zurückzudrängen, sollen (zunächst in technisch relativ schwacher Weise) kinderpornographische Seiten im World Wide Web (WWW) gesperrt werden. (Nicht gelöscht, nur ihre Ansicht bei Benutzer-näheren Durchleitern, Access-Providern, verschleiert.) Auch eine größere Sauberkeit des WWW wird damit anscheinend angestrebt. Einzelheiten (aus kritischer Sicht) mit Verweisen auf Diskussionsbeiträge im Netz sind von Lutz Donnerhacke auf http://netzpolitik.org/2009/hintergrundtext-kinderpornographie-internet-sperren/ zusammengetragen.

Welche Web-Seiten als kinderpornographisch anzusehen sind, soll das Bundeskriminalamt (BKA) entscheiden. Das BKA soll dann Listen dieser Seiten an sog. Internet-Provider schicken, die (zunächst gemäß „freiwilliger“ Vereinbarung) diese Sperren einrichten. Die Implikationen (wie z. B. die Tendenz zur Aufhebung der Gewaltenteilung) wurden im Netz eigentlich schon hinreichend diskutiert.

Hier nur einige Sichten eines Älteren und eigentlich weniger Politischen: Das Sperr-Vorhaben soll eines aus einer Reihe von Problemen mit den neuen Informations- und Kommunikationstechniken lösen. Als ein weiteres (solches Problem) wird schon lange die Möglichkeit unkontrollierbaren Nachrichtenaustauschs über weite Entfernungen gesehen. Einschränkende Maßnahmen werden u. a. gern damit begründet, dass das Kommunikationsnetz kein rechtsfreier Raum sein darf. Das ist es aber eigentlich ja sowieso nicht: Gesetze gegen böse Taten gelten weitgehend unabhängig von der dafür verwendeten Technik, und die Polizei hatte auch bisher schon entlang dieser Technik begrüßenswerte Fahndungs-Erfolge. Als Versuch eines Gleichnisses: Bislang konnte man zu zweit im Wald spazierengehen und dort sicher vor Mithörern miteinander sprechen. Das war auch erlaubt. Ist nun der Wald ein rechtsfreier Raum, weil er nicht mit Abhörgeräten durchsetzt ist?

Ich bin in die durch das Grundgesetz mitbestimmte Gesellschaft hineingewachsen. Dabei kamen mir gewisse Grundrechte so selbstverständlich vor, dass ich mich über deren explizite Darstellung im Grundgesetz wunderte. Das tue ich jetzt nicht mehr. Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit, „Eine Zensur findet nicht statt“: Solche Rechte wurden unter einmaligen Bedingungen von Vertretern eines hellen Aufbruchs festgeschrieben. Anscheinend gilt das inzwischen manchem als leicht überholter kindlicher Idealismus und leichthin zu ignorieren.

Das Internet mit den darauf aufbauenden I&K-Techniken (wie Web und Mail) ist wie ein wachsendes Behältnis für ein Meer aus guten und schlechten Inhalten. Das kann niemand mehr überblicken. Manche Mächtige sehen sich dabei anscheinend verpflichtet und fähig, die Ströme in diesem Meer zum Wohl aller zu strukturieren und zu lenken. Dabei sind die Vorteile gegenüber Verletzungen der Prinzipien des Grundgesetzes abzuwägen. Ich glaube, dass solches Vorgehen schlechthin zu weniger Zivilisation und Wohlstand führen würde als das strikte Einhalten der Grundrechte-Artikel. Die Obrigkeit sollte die (komplexer gewordenen) Umstände hinnehmen wie den abhörfreien Wald und das Beste daraus machen (lassen).

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