Alkoholunfälle

Ein Artikel über den Sinn von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr und deren Überwachung erinnert mich an einen meiner alten Mängel an Verständnis:

Alkohol sei eine der Hauptunfallursachen im Straßenverkehr, heißt es. Das will man anscheinend ändern. Also, nach Maßgabe anderer Unfallursachen auf dieser Betrachtungsebene: Müdigkeit, Drogen, mangelndes Training, Abwesenheit der Gedanken, Leichtsinn, oder was noch? den Anteil an alkoholverursachten Unfällen verringern.

Verwirrend ist dabei, dass als hierzu konkurrierende Ursachen äußere Umstände oder falsches Verhalten genannt werden, z.B. überhöhte Geschwindigkeit. Also: Jemand fliegt mit seinem Fahrzeug aus der Kurve, weil er zu schnell dort hineingefahren ist. Wird dann eine Alkoholisierung bei ihm festgestellt, dann wird die zunächst angenommene Ursache anscheinend durch die Alkoholisierung ersetzt. Dieser Anschein wird zumindest von dem einen oder anderen Bericht erweckt, in dem diese Ursachen nebeneinandergestellt und addiert werden.

Zu dieser Logik passt auch, dass zumindest in Zeitungsberichten gelegentlich der Anschein erweckt wird, dass Alkoholisiertheit als strafverschärfend für Unfallverursacher gewertet wird. Natürlich kann eine Unfallverursachung als Indiz für die Schädlichkeit eines Alkoholspiegels genommen werden und der Strafrahmen für diesen daraufhin voll ausgeschöpft werden. Aber umgekehrt? Früher wurde Alkoholisiertheit als mildernder Umstand für einen Unfallverursacher angesehen. Manche scheinen jetzt ggf. eher Nüchternheit als mildernden Umstand anzusehen. (Tatsächliche Gerichtsurteile scheinen aber sachgerechter zu sein.)

Alkohol als tatsächliche Ursache für ein erhöhtes Risiko für Tötungen bei Verkehrsunfällen wird zunächst plausibel in einer Tabelle des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (nach Statistischem Bundesamt). Aber eigentlich zeigen diese Tabellen nur, dass bei Unfällen, bei denen mindestens eine Person zu Schaden gekommen ist, der relative Anteil solcher mit Todesfolge bei Alkohol-Fahrt größer ist als im allgemeinen Fall (ohne Alkohol). Über das Risiko von Alkoholfahrten (im Vergleich zu sonstigen Fahrten und überhaupt und insbesondere bei geringer Alkoholisierung) scheint mir daraus schwer etwas zu schließen zu sein. Da Nichtalkoholfahrten zu viel mehr Unfällen führen, sollte dem Zurückdrängen von gefährlichem Verhalten an sich und von gefährlichen äußeren Umständen vielleicht mehr Gewicht in der Öffentlichkeit gegeben werden.

Wie jeweils auf die Ursächlichkeit der Alkoholisierung eines Beteiligten an einem Unfall geschlossen wird, scheint aus Zeitungsberichten und leicht zugänglichen Statistiken schwer erschließbar zu sein (in Extremfällen ist ein Zusammenhang bei Würdigung der Umstände u.U. natürlich zu vermuten). Einzelheiten insbesondere zum Anteil dieser Ursache an allen Unfällen stehen in einem Bericht des Statistischen Bundesamts über „Alkoholunfälle im Straßenverkehr„. (Oder sollte man Korrelation sagen: Unter den Unfallbeteiligten gab es so und so viele Alkoholisierte? Naja, das allein ist nicht mal eine Korrelation.)

Ich würde es richtiger finden, Risiken in ein Verhältnis zum Nutzen (jeweils insbesondere für die Allgemeinheit) zu setzen. Also etwa: Ist es schlimmer oder risikoreicher, nachts angetrunken kurz auf dem Parkplatz zu rangieren, als tagsüber nüchtern einen Ausflug über mehrere Kilometer zu machen?

Natürlich hat der Alkoholspiegel im Blut den Vorteil einer objektiveren Überprüfbarkeit. Aber das Fixieren der Gesetzgebung auf das Senken der Promille-Grenze erscheint mir etwas unausgewogen. Wie eine punktuelle Schlacht einer Partei. Es scheint da einen Wettlauf der Nationen zu geben: Welche am schnellsten weitestgehende Regelungen einführt.

Zur Zeit gelten Unfälle als Alkoholunfälle, wenn ein Beteiligter mindestens 0,3 Promille hat. Bei strenger Übertragung dieses Kriteriums auf eine von manchem angestrebte neue Rechtslage mit null Promille als Grenze würde dann jeder Unfall ein Alkoholunfall sein. Mit 100 Prozent alkoholisierter Beteiligter; woraus man dann wieder erkennen würde, wie gefährlich das Fahren unter Alkoholeinwirkung ist.

Zu den Risiken für Leib und Leben wird in manchen Darstellungen das Risiko, erwischt zu werden, als bedrohlich und Strafe rechtfertigend hinzugenommen; was als etwas zirkelhaft erscheint. Vielleicht soll hier einem (oft nachzuempfindenden) Abscheu gegen Trunkenheit Luft gemacht werden.

Allgemein kommen mir viele Schlüsse, die öffentlich aus Daten gezogen werden, so ähnlich vor, wie wenn jemand sagte: Unter den Menschen über 62 gibt es deutlich mehr Frauen als Männer; da sieht man wieder, wie ungerecht immer noch die Frauen stärker mit Alter geschlagen sind als die Männer.

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